Einleitung zum Projekt
Seitdem von „Bürokratien“ die Rede ist, kritisiert man staatliche Verwaltung als umständlich, anmaßend oder intransparent. Doch sind öffentliche Administrationen nicht einfach ein Übel, dem es abzuhelfen, ein Übergriff, den es abzuwehren gilt: Verwaltungen schaffen ihrem Auftrag nach zunächst einmal Rechtssicherheit. Sie stellen behördliche Instanzen dar, deren Bescheiden staatsweit Verbindlichkeit zukommt und deren Entscheidungen aufgrund einer besonderen Rationalität entstehen: auf Basis eines komplexen paperwork von Notizen oder Berichten, Protokollen oder Akten. Fordert man Reformen staatlicher Verwaltung unter dem Banner von „Entbürokratisierung“, von Verschlankung und höherer Effizienz, unterschlägt dies zumeist eins: Zur Kehrseite hat das Schrumpfen öffentlicher Bürokratien fast immer die Proliferation ihrer Verwaltungsprozeduren jenseits der Organisation. Derlei administrative Praktiken, die vormals im hoheitlichen Auftrag noch Beamten übertragen waren, heute aber mehr und mehr in die Hände sich selbstverwaltender Bürger gelangen, versteht das Projekt als „Bürographien“. Ihre Verbreitung hat im Sozialen und Privaten zu einem Schub an Kontrolle und Mikromanagement geführt, wie nicht erst die jüngste Demontage der US-amerikanischen Verwaltungsbehörden zeigt, die von der Installation privatwirtschaftlich betriebener, mit parabehördlicher Autorität ausgestatteter Unternehmen flankiert zu werden droht. Letztlich dreht sich das Projekt, das in historischer Perspektive die Verwaltungskulturen Österreichs, der Schweiz und der BRD untersucht, also um ein Paradox: Die Zähmung „bürokratischer“ Routinen mündet in die Wucherung „bürographischer“ Verfahren auf politischer, technischer und ästhetischer Ebene.